~ Die Totengeister der Immerlande ~

 

Verlorene

 

"Wie oft sind wir einem Verlorenen begegnet? Dreimal?"
"Zweimal. Genau zweimal. Und beide Male sind wir Sithech nur mit sehr viel Glück von der Schippe gesprungen."
"Gestürzt trifft es eher."
"Verlorene sind die Art von Geistern, denen man unter keinen Umständen alleine begegnen möchte. Nein. Eigentlich möchte man ihnen überhaupt nicht begegnen."
"Sie sind ein bisschen schwierig."
"So schwierig wie eine Personifikation des Wahnsinns werden kann. Um diese Art von Geist zu besiegen braucht man einen Hohepriester, oder einen Schamanen, der sich auf Ahnen spezialisiert hat und am besten in direkter Linie mit ihm verwandt ist."
"Oder einen Spaten."
"Wieso einen Spaten?"
"Weil wenn du weißt, wo die Knochen begraben liegen, du sie ausgraben, kräftig einsalzen und verbrennen kannst. Das wichtigste dabei ist der Spaten. Ansonsten tut es auch ein so unglaublich toller Schattenjäger wie ich."
"... hust...  Als unmagische Kreatur bleibt einem das Beten, massenhaft Salz..."
"... und ein Salzherz. Die noch viel seltener sind als Verlorene."

Somhairle und Déaghán Caerwynt, zwei berühmte Schattenjäger in "Schatten und Dämonen", dem Handbuch für Schattenjäger

 

Verlorene sind Geister, die in den Abgrund ihrer eigenen Seele gefallen sind. Ohne jede Aussicht auf Rückkehr, oder Vergebung. Kein Geist, der verweilt, ist von Anfang an ein Verlorener. Ursprünglich als Poltergeist, Gebundener oder Gebliebener, seltener auch Vergessener im Diesseits oder im Zwielicht verhaftet, werden Verlorene erst dann zu dem, was sie sind, wenn sie zu lange in einer Welt bleiben, die nicht mehr die ihre ist.


Dabei spielt es keine Rolle, aus welchen Beweggründen der Geist ursprünglich verweilte, ob gute oder schlechte, der unheilbare Wahnsinn wird ihn heimsuchen und alles mit sich reißen, was ihn je ausgemacht hat. Alles was ein Verlorener noch 'will', ohne dass er sich dessen wirklich bewusst ist, ist sein Leid, seine Verzweiflung und seinen Wahnsinn in den Augen anderer wiederzuerkennen – falls nötig, indem er es persönlich hineinkratzt.


Allerdings bleibt ein Verlorener, der einmal ein Poltergeist war, an den Ort seiner eigenen Wahl gebunden, so wie ein ehemaliger Gebundener sich als Verlorener weiterhin nur rund um das Objekt seiner Begierde bewegen kann.


Gelehrte sind sich nicht sicher, wie viel Zeit einem Geist bleibt, bevor er sich vergisst, ob überhaupt eine allgemein gültige Aussage getroffen werden kann. Wahrscheinlich ist es vom Geist und seiner Willensstärke abhängig. Bislang wurden nur sehr gefährliche und überaus mächtige Verlorene gefunden und da die Kräfte eines Geistes über die Jahre wachsen, ist anzunehmen, dass es Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte dauert, bevor ein Poltergeist, Gebundener oder Gebliebener, seltener auch Vergessener zu einem Verlorenen wird. Sobald jemand, der auch nur einen Hauch von Ahnung von Totenseelen hat, auf einen Verlorenen aufmerksam wird, wird er umgehend den nächsten Tempel oder Schattenjägersitz informieren. Verlorene sind genau das, was ihr Name sagt: verloren. Mit ihnen zu reden, hat überhaupt keinen Sinn. Ein Verlorener kann, sofern er ein Poltergeist oder ein Gebundener war, durch das Abbrennen des entsprechenden Ortes  oder aber das Zerstören des dazugehörigen Gegenstandes, ein entsprechendes Ritual, einen klerikalen Zauber von angebrachter Stärke, die Macht eines Schamanen der lange genug auf dem Pfad der Ahnen wandelt oder ein Salzherz gebannt werden.  War er einmal ein Gebliebener, ein Rachegeist oder ein Vergessener kann er auch durch das Salzen und Verbrennen seiner sterblichen Überreste zu Sithech geschickt werden.


Die Bean Sidhe sind neben den Verdammten die einzigen Geister, die sofort nach ihrem Erwachen im Diesseits zu den Verlorenen gehören und nicht erst als Geblieben, Vergessene, Rachegeister, Poltergeister oder Gebundene verweilen. Sie waren im Leben wahnsinnig, sie sind im Tod wahnsinnig.


Diese Totenseelen waren wie die Verschmähte alle einmal Frauen und haben eines gemein: Schon zu Lebzeiten waren sie blutrünstig und mordlustig, und labten sich an dem Leid anderer. Das hat sich nach ihrem Tod nicht geändert, sie sind allerhöchstens noch gefährlicher geworden. Bean Sidhe werden einheitlich als hässliche Weiber mit verzerrten Fratzen, fahler Haut und klauenähnlichen Händen beschrieben, die ihre Opfer mit schrecklichem, unheilvollem und ganz und gar unmenschlichem Gekreisch töten. Die bekannteste und auch gefürchtetste aller Bean Sidhe ist die Blutgräfin von Arantal, der Herrin von Burg Báthory, die seit über siebenhundert Jahren durch die leeren Gänge streift und  jeden mit ihrem schaurigen Geschrei umbringt, der dumm genug ist die Ruine aufzusuchen.


Dann gibt es noch die Verdammten, eigentlich eine Unterart der Gerufenen, doch wenn es einem beschworenen Verdammten gelingt sich von den Fesseln des Beschwörungszaubers zu befreien und dadurch aus dem Gefängnis der Hölle, in welches Sithech ihn verbannt hat, auszubrechen, gilt er sofort als Verlorener. Denn Sithech hat ihn am Tag seines Sterbens nicht ohne Grund in die Halle der Vergessenen verbannt. Die meisten dieser Seelen waren bereits zu ihren Lebzeiten auf die eine oder andere Art und Weise wahnsinnig und ihre Zeit in der Halle der Vergessenen hat sie nicht milder werden lassen.

 


~ Zurück ~

 

DSGVO