~ Die Totengeister der Immerlande ~

 

Gebundene


"Wenn man einen Gebundenen jagt, braucht man vor allem eins, nämlich..."
"Einen Dieb."
"Ich wollte eigentlich sagen..."
"Ein Dieb kann nie schaden. Ist ja nicht so, als würden sich Gebundene an irgendwelchen billigen Plunder binden."
"Es gibt durchaus Gebundene, die sich dafür entscheiden ihre Seele an einen Gegenstand binden, der weniger materiellen, als sentimentalen Wert besitzt."
"Stimmt. Die Dreckspuppe! Die vergesse ich nie wieder. Das war eine ausgemachte Hasenhakenscheisse. Aber bei dem Dreifurunkel..."
"Dreitränenstein."
"... dem Klunker halt – da wäre ein Dieb nun wirklich handlich gekommen. Wollte der Kerl den Kiesel doch ums Verrecken nicht herausrücken, obwohl wir ihm erklärt haben, dass sich da ein Totengeist eingenistet hatte und wir ihn deshalb unbedingt zerstören müssen."
"Könnte daran gelegen haben, dass dieser Kiesel ungefähr neuntausend Goldstücke wert war."

Somhairle und Déaghán Caerwynt, zwei berühmte Schattenjäger in "Schatten und Dämonen", dem Handbuch für Schattenjäger  


Im Leben haben diese Geister ihre Seele metaphorisch gesehen an einen Gegenstand verloren. Er ist ihnen derart wichtig, dass sie ihn sogar nach ihrem Tod nicht zurücklassen wollen und sich deshalb entscheiden, die Purpurnen Flüsse nicht zu überqueren, sondern stattdessen wieder ins Diesseits einzukehren, um bei ihm zu bleiben. Gebundene sind an den Gegenstand ihrer Wahl gefesselt, wobei sie sich an alles binden können, das nicht lebt. Einer Geschichte zufolge soll einst einmal ein Totengeist für eine Mistgabel zurückgekehrt sein - und in dieser bis heute hausen -, aber sehr wahrscheinlich handelt es sich hierbei um hinterwäldlerischen Unsinn.


In erster Linie wollen Gebundene einfach nur in der Nähe ihres 'Schatzes' verweilen. Sie bewegen sich in ihm und mit ihm, und können auch nur in seiner unmittelbaren Umgebung wirken und erscheinen. Doch wie  alle Geister, die nie die Purpurnen Flüsse überquert haben, wissen Gebundene um ihr Totendasein und verlieren irgendwann den Kampf gegen das Diesseits – und mit der Zeit vergessen sie den simplen Wunsch einfach nur weiterhin den geliebten oder begehrten Anblick zu genießen, und verlieren sich in der krankhaften Obsession, das Objekt der Begierde nur noch für sich alleine zu besitzen. Dadurch wird jeder neue Eigentümer, ob dieser den Gegenstand nun bewusst ersteht oder aber zufälligerweise in dessen Besitz gelangt, zu einer Art Konkurrent oder missgünstigem Neider denunziert, dessen man sich entledigen muss. Es beginnt mit kleinen Abschreckungsversuchen, die jedoch nur allzu schnell in gewalttätige Übergriffe ausarten können, bis der neue Besitzer um sein nacktes Leben fürchten muss. Und wenn ein Gebundener nach Jahren des unerkannten Herumgeisterns endgültig den Verstand verliert und zu einem Verlorenen wird, dann ist nicht länger nur der neue Eigentümer Ziel der blinden Besitzgier, sondern jeder Einzelne, der sich in die Nähe des Gegenstandes wagt. Nur allzu häufig werden solche von Gebundenen heimgesuchten Gegenstände mit verfluchten Objekten verwechselt. Tatsächlich gibt es in vielen Fällen nur einen einzigen Weg diese Geister zu Sithech zu schicken: Indem man den Gegenstand, an welchen sie sich gebunden haben, zerstört.


Gebundene können, sofern sie noch nicht sehr alt sind, mit Vernunft und Güte davon überzeugt werden, dass ihre Zeit gekommen ist die Purpurnen Flüsse zu überqueren. Je länger ein Gebundener verweilt, desto schwieriger wird es ihn allein mit Worten vom Gehen zu überzeugen, bis er  sich schliesslich nicht einmal mehr  durch inniges Flehen von seiner Besitzgier abbringen lassen wird. Dann kann ein Gebundener nur noch durch das Zerstören seines Objekts, ein entsprechendes Ritual, einen klerikalen Zauber, die Macht eines Schamanen der auf dem Pfad der Ahnen wandelt oder ein Salzherz gebannt werden.

 


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