~ Die Totengeister der Immerlande ~

 

Gebliebene



"Wäre es nicht, dass sie Geister sind, könnte man fast Sympathien für sie entwickeln."
"Aber nur fast."
"Ihre Intentionen sind nur selten böser Natur. Das schützt sie nicht davor, der Leere des Diesseits anheim zu fallen und zu Verlorenen zu werden."
"Deshalb spart man sich die Höflichkeiten besser und schickt sie zurück."
"Wie immer braucht man dazu einen Sithechpriester, einen Schamanen, oder aber ein entsprechendes Ritual."
"Man kann auch – und ich fass es nicht, dass derjenige bin, der das sagt– vernünftig mit ihnen reden."
"Du redest nie mit ihnen."
"Dauert mir zu lange."

Somhairle und Déaghán Caerwynt, zwei berühmte Schattenjäger in "Schatten und Dämonen", dem Handbuch für Schattenjäger  


Die meisten, die Sithechs Ruf vernehmen, wenn ihr Leben endet, folgen ihm zufrieden und bereitwillig, und finden sich an den Purpurnen Flüssen ein, um mit dem Fährmann ins Reich der Toten zu fahren. Gebliebene sind jene, die weder von Rache, noch von einem Ort oder Gegenstand gefesselt zurückbleiben, noch als Vergessene von Sithech dort gelassen werden. Es gibt wohl so viele verschiedene Gründe, das Diesseits noch nicht unmittelbar nach seinem Dahinscheiden hinter sich zu lassen, wie es Gebliebene gibt. Sei es der Wunsch, ein geliebtes Wesen weiterhin zu beschützen, seine Kinder aufwachsen zu sehen, jemandem bedeutsame letzte Worte zu sagen. Manche Gebliebene können das "Warum" noch nicht einmal benennen, doch im Gegensatz zu den Vergessenen, sind sie sich ihrer Entscheidung im Diesseits zu bleiben vollkommen bewusst. Sie wissen um die Tatsache, dass sie tot sind - ebenso wie sie spüren, dass das Totenreich nach ihnen verlangt. Die meisten, die sich aus einem bestimmten Grund nicht zu den Purpurnen Flüssen begeben haben, verfolgen ihre Absichten, suchen nach ihrem Ziel, erfüllen ihre Aufgabe und gehen anschließend zu den heiligen Hallen des Gottes von Tod und Winter.


Unglücklicherweise ist das Diesseits kein Ort für Geister, und so edel und selbstlos ihre Motive auch sein mögen, ihr Totendasein kollidiert unweigerlich mit dem Leben, in welchem sie sich entgegen göttlicher Gesetze bewegen. Es nagt an ihrer Existenz und ihrer Seele, zermürbt und verbittert sie, vergiftet ihr Herz und färbt es schwarz, bis sie vergessen wer sie sind, was sie ursprünglich im Diesseits wollten und dass sie nie böse Absichten hegten. Stattdessen werden sie von quälendem Neid und unsterblicher Missgunst auf alles Lebende erfasst und irgendwann von einer vernichtenden Wut heimgesucht – und ihr nach folgt der Wahnsinn, der aus einem Geist einen Verlorenen macht.


Gebliebene können mithilfe eines entsprechenden Rituals, durch das Salzen und Verbrennen der sterblichen Überreste (sofern noch vorhanden), einen klerikalen Zauber, die Macht eines Schamanen der auf dem Pfad der Ahnen wandelt, oder ein Salzherz gebannt werden. So manches Mal ist es bei einem noch "jungen" Gebliebenen möglich, ihn mit einfachen Worten davon zu überzeugen, dass seine Anwesenheit im Diesseits nicht dem Lauf der Dinge entspricht und es für ihn an der Zeit ist die Hallen des Herren von Winter und Tod aufzusuchen.


Ein charakteristischer Gebliebenen-Geist ist Máthair, die Mutter. Wenn eine Frau im Kindsbett stirbt, ihr Neugeborenes jedoch überlebt, kommt es vor, dass ihr Geist auf der Suche nach dem Kind zurückkehrt. In einigen Fällen geht es der Mutter tatsächlich nur darum, das Kind ein einziges Mal in ihren Armen zu halten. In anderen will ein Máthair sein Kind auf seinem Lebensweg begleiten, es aufwachsen und leben sehen. Wenige Geschichten erzählen aber auch von einer nahezu unmenschlichen Sehnsucht und dem verzweifelten Versuch, das Neugeborene zu töten, damit Mutter und Kind wieder vereint sind.

 


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